Wie wird die „neue Normalität“, die Welt nach der Corona-Pandemie, aussehen? Auch wenn wir diese Phase noch nicht erreicht haben, so zeichnen sich mit dem Rückgang der Beschränkungen dennoch einige Veränderungen ab. Ab dem 11. Mai wurden in Frankreich die zuvor relativ strikten Beschränkungen gelockert. Im Folgenden stellen wir dar, ob und inwiefern sich das Onlineverhalten der Franzosen geändert hat.
Hierzu analysierten und verglichen wir das Internetnutzungsverhalten1 während und nach dem Lockdown. Wir beobachteten vier verschiedene Situationen:
1. Negative Auswirkungen
Einige Websites wurden sowohl während des Lockdowns als auch seit Beginn der Lockerungen seltener besucht. Überraschenderweise gilt dies beispielsweise für Websites zu Gesundheitsthemen sowie für Nachrichten- und Medienwebsites. Es klingt verwunderlich, dass ausgerechnet jene Websites weniger stark besucht werden sollen.
Zur Kontrolle analysierten wir die Reichweite von drei bedeutenden französischen Websites der Kategorien News und Gesundheit (lemonde.fr; lefigaro.fr; doctissimo.fr). Bei allen drei Websites fanden wir dasselbe Muster, das den Effekt für die jeweilige Kategorie erklärt: Die User sind inzwischen schlicht übersättigt mit Informationen über das Coronavirus. Zu Beginn der Krise informierte man sich eifrig. Nach einiger Zeit allerdings, ca. ab Ende März, scheint der Informationsdurst gestillt zu sein. Alle interessanten Informationen über die Krise wurden inzwischen gefunden. Da sich die Nachrichtenwebsites aber weiterhin hauptsächlich diesem Thema widmeten, stellte sich Langeweile auf Seiten der Leser ein. Derselbe Effekt gilt für doctissimo.fr: auf ein reges Interesse im März folgte ein Rückgang.
2. Zurück zur (neuen) Normalität ?
Einige Websites wurden während des Lockdowns sehr häufig besucht. Da die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung stark eingeschränkt waren, lag es nahe, sich mit TV-Shows oder Filmen die Zeit zu vertreiben. Inzwischen sind die Freizeitbeschäftigungen wieder diverser: Man kann sich mit Freunden treffen oder muss eventuell zurück zur Arbeit. Dies schlägt sich auch auf die Nutzung der Entertainment-Websites nieder, die im Vergleich zu der Zeit während des Lockdowns nun rückläufig ist.
Ähnliches gilt auch für Food- und Rezepte-Websites. In #wirbleibenzuHause diary #6 erwähnten wir bereits den Besucheranstieg auf Food-Websites während des Lockdowns. Seit den Lockerungen entwickelten sich die Besucherzahlen allerdings rückläufig. Vermutlich ist man nun weniger daheim oder hat weniger Zeit zum Kochen.
Allerdings ist die Situation für diese beiden Website-Kategorien nicht genau gleich. Auch wenn in beiden Kategorien während des Lockdowns ein Besucher-Höhepunkt erreicht wurde, so ist die Besucheranzahl auf Entertainment-Websites derzeit weiterhin geringer, als dies vor dem Lockdown der Fall war – so zum Beispiel bei YouTube und Netflix. Vielleicht widmen sich die Menschen nun vermehrt Outdoor-Aktivitäten? Auch Food-Websites wurden seit Beginn der Lockerungen zwar seltener besucht, befinden sich allerdings immer noch auf einem höheren Level im Vergleich zum Zeitraum vor der Corona-Krise. Vielleicht sind die Koch-Novizen auf den Geschmack gekommen? (Vergleiche #wirbleibenzuHause diary #6)
Die folgende Grafik vergleicht die Entwicklung der Besucherzahlen für Entertainment-Websites und Food-Websites.
3. Normalisierung
Einige Industriezweige kamen durch den Lockdown sozusagen vollständig zum Erliegen. Typischerweise gilt dies zum Beispiel für die Tourismusindustrie. Mit Beginn der Lockerungen und der Ankündigung des französischen Präsidenten (der den Franzosen die „Erlaubnis“ gab, ihren Sommerurlaub zu planen), nimmt die Tourismussparte allmählich wieder Fahrt auf. Dasselbe gilt für Shopping-Websites: Während dem Lockdown wurde gespart, nun wird das Geld ausgegeben. Für beide Kategorien, Travel und Onlineshopping, bleiben die Besuche aber hinter dem ursprünglichen Level vor der Krise zurück.
Auch auf Job-Portalen lässt sich dieser Effekt beobachten: Ein starker Rückgang während des Lockdowns und inzwischen erneut ansteigende Besucherzahlen. Ebenso der Immobilienbereich: Handelt es sich hier um eine während des Lockdowns aufgeschobene Nachfrage oder war der Lockdown etwa der Auslöser für den Wunsch nach einer neuen Bleibe? Oder ist es nur ein zeitlich begrenztes Phänomen? Immobilien-Portale verzeichnen nach den Lockerungen mehr Besucher als vor der Corona-Krise.
Im Folgenden werden beispielhaft einige reichweitenstarke Websites dargestellt (Amazon befindet sich nicht darunter, da die dortigen Besuchszahlen nach dem Lockdown zurückgingen: Amazon leidet weiterhin unter den rechtlichen Entscheidungen, die seine Aktivitäten in Frankreich einschränken)
4. Positive Auswirkungen
Zu guter Letzt widmen wir uns jenen Websites, die von der Krise profitierten und die sich auch weiterhin positiv entwickeln. Hier finden sich Websites, deren Aktivitäten einen starken Bezug zur Situation während der Krise haben.
Zunächst Paketdienstleister, die weiterhin öfter als zuvor in Anspruch genommen werden – sei es, weil die Ladengeschäfte nur allmählich wieder öffnen oder weil die Konsumenten weiterhin die Einkaufsstraßen meiden. Ebenso DIY-Händler: DIY-Aktivitäten erfreuten sich während der Krise großer Beliebtheit. Man kann mutmaßen, dass einige Kreative und Heimwerker nun Nachschub an diversen Materialien benötigen oder Projekte fertigzustellen sind. Interessanterweise gilt selbiges für Bildungsangebote: So nutzten einige den Lockdown zur Weiterbildung, lernten neue Sprachen oder ähnliches, und verfolgen dies weiterhin.
Nach diesen ersten Eindrücken in das digitale Verhalten nach den Lockerungen der Beschränkungen lassen sich also bereits einige Trends ausmachen, die weiterhin aktuell bleiben: DIY, Kochen und Weiterbildung erfreuen sich immer noch großer Beliebtheit. Werden sie also Teil der „Neuen Normailtät“ sein?
respondi France
1 Seit 2016 tracken wir das Internetnutzungsverhalten eines Teils unseres französischen Panels. Sie haben eingewilligt, eine Software/eine App auf ihren Endgeräten zu installieren. Hier vergleichen wir Daten, die seit dem 1. März 2020 erhoben wurden (national repräsentative Stichprobe n=1983 (Desktop und mobil ohne Apps).