Wie wird die „neue Normalität“, die Welt nach der Corona-Pandemie aussehen? Auch wenn wir diese Phase noch nicht erreicht haben, so zeichnen sich mit dem Rückgang der Beschränkungen dennoch einige Veränderungen ab. Im Folgenden stellen wir dar, ob und inwiefern sich das Onlineverhalten der Briten geändert hat. Die Daten wurden in Großbritannien gesammelt1 , wo der zweite Schritt der Lockerungen am 15. Juni 2020 erfolgte.
1. Negative Auswirkungen
Hierunter fallen jene Websites, für die sowohl während des Lockdowns als auch nach den Lockerungen der Beschränkungen ein Besucherrückgang zu verzeichnen war. Drei verschiedene Kategorien treten hier besonders hervor: Zunächst Autos. Wenig überraschend, schließlich gehen Lockdown und Autonutzung nicht unbedingt Hand in Hand. Aber auch aus weiteren Gründen, beispielsweise finanzieller Art oder aus ökologischem Bewusstsein, hat ein neues Auto derzeit für viele Menschen keine Priorität. Was jedoch überraschte, sind die zwei weiteren Website-Kategorien: Websites mit Gesundheitsthemen sowie Medien- und Nachrichtenwebsites!
Zur Kontrolle analysierten wir die Reichweite dreier bedeutender britischer Medien- und Nachrichtenwebsites (The Sun, The Telegraph, BBC). Bei allen fanden wir dasselbe Muster, das den Besucherrückgang erklärt: Die Menschen sind schlicht übersättigt an Informationen mit Corona-Bezug. Zu Beginn informierte man sich fleißig, aber nach einer Weile, ab ca. Ende März, war der Wissensdurst zu diesem Thema scheinbar gestillt. Alle benötigten Informationen wurden gefunden. Da aber weiterhin dieselben Themen die Nachrichten dominierten, stellte sich Langeweile ein.
2. Zurück zur (neuen) Normalität
Einige Websites erlebten während des Lockdowns einen kleinen Besucheransturm. Da die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung beschränkt waren, lag ein Zeitvertreib mit Film und Fernsehen nahe. Mit den Lockerungen erweiterten sich anschließend die möglichen Aktivitäten – Freunde treffen, die Rückkehr zur Arbeit, etc. – und so gingen auch die Besuche auf Entertainment-Websites zurück.
Dieselbe Dynamik lässt sich bei Food- und Rezepte-Websites beobachten. In #wirbleibenzuHause #7 stellten wir für diese Kategorie bereits eine gestiegene Besucheranzahl während des Lockdowns fest. Inzwischen verringerte sich die Besucheranzahl wieder, entweder weil die Briten nun seltener zu Hause sind oder weil weniger Zeit zum Kochen bleibt.
Allerdings gibt es dennoch Unterschiede zwischen diesen beiden Kategorien: Für Entertainment-Websites entspricht das „newnormal“ fast derselben Situation wie vor dem Lockdown. Wie in der folgenden Grafik exemplarisch dargestellt, entspricht die Anzahl der Besuche nach den Lockerungen in etwa der Anzahl vor dem Lockdown (abgesehen von Disneyplus, das kurz nach Beginn des Lockdowns auf den Markt gebracht wurde). Bei Food- und Rezept-Websites stellt sich die Situation anders dar. Es scheint, als hätte sich bei den Briten während des Lockdowns Langeweile beim Kochen eingestellt. Derzeit werden diese Websites signifikant weniger besucht als vor dem Lockdown – obwohl zu dem Zeitpunkt der Datenaufzeichnung die Restaurants in Großbritannien noch geschlossen sind. Sagt dieser Effekt uns bereits etwas über das „newnormal“, oder handelt es sich lediglich um eine Übergangsphase?
3. Zurück zur (neuen) Normalität
Einige Aktivitäten wurden während des Lockdowns ausgesetzt. So fanden keine Fußballspiele statt. Die Konsequenz waren natürlich weniger Sport-Nachrichten und weniger Sportwetten. Mit den Lockerungen begann auch wieder die Premier League und Liverpool gewann zum ersten Mal seit 30 Jahren die Championships. Auch die Suche nach Jobs oder Immobilien war während des Lockdowns nicht von Interesse. Seit Beginn der Beschränkungen steigen die Besucherzahlen für diese Kategorien wieder. Diese Änderungen stellt die nachfolgende Grafik dar: Ein deutlicher Rückgang der Aktivitäten auf Job- und Immobilien-Portalen sowie auf Sport- und Wettanbieter-Websites und eine anschließende Zunahme der Besucherzahlen nach Rücknahme der Beschränkungen.
Eine andere Kategorie folgte derselben Dynamik, allerdings mit einer deutlich geringeren Gesamtanzahl an Besuchern: Websites mit Bezug zu Abtreibungen. Es scheint, als hätte der Lockdown auch hier einen Effekt gehabt.
Im Folgenden einige Beispiele konkreter Seiten:
4. Positive Auswirkungen
Welche Websites haben von der Krise profitiert – und entwickeln sich auch weiterhin positiv? Hierzu zählen vor allem Websites, deren Aktivitäten weiterhin stark in Bezug zu den Erfahrungen während des Lockdowns stehen:
- Greenpeace: Reflektiert die durchweg positive Entwicklung ein steigendes ökologisches Bewusstsein in Großbritannien?
- Decathlon: Eine Decathlon-Tauchmaske wurde für medizinische Zwecke zur Atemschutzmaske umfunktioniert. Profitiert der Sportartikelhersteller nun auch kommerziell?
- DHL: Der Besucheranstieg auf der Website des Kurierdienstleisters spiegelt den Zuwachs des e-commerce wider.
- Masterofmalt: Während des Lockdowns konsumierten einige Menschen vermehrt Alkohol und es scheint, als hätten sie ihren Konsum noch nicht zurückgefahren. Dies würde die anhaltenden vergleichsweise hohen Besuchszahlen auf der Website des Whiskeyspezialisten erklären.
Es sind also einige Trends erkennbar – werden sie von Dauer sein und Teil der „neuen Normalität“ werden?
respondi UK
1 Seite 2016 hat ein Teil unseres Panels im Vereinigten Königreich zugestimmt, ihre Online-Bewegungsdaten mit uns zu teilen und dafür eine Software/App installiert, die Onlineaktivitäten dieser Panelisten beobachtet.
Die Stichprobe umfasste n= 1.798 und war bevölkerungsrepräsentativ (Alter und Geschlecht).