Seit Tagen prangt an einer Häuserwand unweit unseres Büros ein warnendes Graffiti: „Fukushima ist überall!“. Die angespannte Lage im japanischen Atomkraftwerk nach dem verheerenden Erdbeben hat auch unter Europas Politikern die Diskussion um die Atomenergie neu entfacht. In Deutschland hat Kanzlerin Angela Merkel als Sofortmaßnahme ein Moratorium zur Überprüfung der Sicherheit deutscher Atomkraftwerke eingesetzt. Die französische Politik gibt sich standhaft und verweigert sich einer Diskussion zur Zukunft der Atomenergie. Die österreichische Regierung – angeführt von Bundeskanzler Werner Faymann – fordert gar einen einheitlichen europaweiten Atomausstieg.
Auch Europas Bürger stellen sich den Fragen zur Sicherheit der Atomenergie. respondi hat in einem aktuellen repräsentativen mingle-Trend die Meinungen von Briten, Deutschen und Franzosen zur nuklearen Energieversorgung erhoben und miteinander verglichen – und ist dabei zu einem erstaunlichem Ergebnis gekommen: Politik und Bürger liegen in den jeweiligen Ländern nicht weit auseinander. Briten, Franzosen und Deutsche sind sich uneins in der Frage nach dem Vertrauen in die eigenen Atomkraftwerke und deren Bertreiber. Fast 60 Prozent der Briten glauben, dass die Atomkraftwerke in Großbritannien sicher sind, ebenfalls 60 Prozent der Franzosen sind überzeugt, dass in Frankreich keine Atom-Katastrophe droht. In Deutschland ist man da skeptischer: nur 28% vertrauen der deutschen Kernkraftindustrie.
Deshalb befürworten 38% einen sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie und weitere 48% einen Ausstieg nach einer Übergangsphase. Geht es nach dem Willen der Bürger, hat nach dem momentanen Stand der Debatte die Atomenergie in Deutschland keine Zukunft. Die Franzosen sehen dies anders: hier können sich 60% nicht vorstellen, aus der Atomenergie auszusteigen – schließlich beziehen die Franzosen fast 80% ihrer eigenen Energie aus dieser Technik und produzieren 5% der weltweiten aus Kernspaltung gewonnen Energie im eigenen Land.
Einig sind sich die Europäer aber in einer Frage: 66% der Deutschen und mit 56% ebenfalls die Mehrheit der Franzosen befürwortet einen Volksentscheid zur Zukunft der Atomkraft. Die Bürger wollen diese zentrale Frage nicht mittelbar durch die Politik, sondern unmittelbar durch den Willen der Mehrheit geregelt wissen. Unwahrscheinlich, dass sie dabei zum gleichen Ergebnis kommen.
Diese Divergenz der Meinungen spiegelt sich auch in den Kommentaren wieder, die Franzosen und Deutsche zu dem Ergebnis dieser Studie auf der mingle facebook Seite veröffentlicht haben: „Ausstieg ist unvorstellbar, Atomkraft bildet leider 80% unserer energetischen Quellen, wenn wir sie abschaffen: die moderne Welt und alles mit Elektrizität wäre vorbei, es wäre eine Rückkehr in der Vergangenheit.“ (Kommentar aus Frankreich), „Atomkraft ist ein notwendiges Übel und wir müssen dadurch, wenn wir unseren Komfort behalten möchten. Es wäre utopisch zu denken, dass genug Elektrizität mit erneuerbaren Energien produziert werden könnte.“ (Kommentar aus Frankreich), „Natürlich wird Strom dann teurer werden… so what? Lieber so als auf der sprichwörtlichen tickenden Atombombe zu sitzen. Und sollten wir zwischenzeitlich Strom aus dem Ausland beziehen müssen, so sind dennoch x Kernkraftwerke weniger in Betrieb, ergo ist das der richtige Schritt.“ (Kommentar aus Deutschland), „Ein weltweiter Atomausstieg kann nur das einzig Richtige sein! Leider passen Vernunft und Kommerz überhaupt nicht zusammen“ (Kommentar aus Deutschland).
Bei aller Meinungsvielfalt und nationalen Ansichten muss den Bürgern Europas aber eins klar sein. Die Frage einer sicheren Zukunft – mit oder ohne Atomenergie – kann nicht national beantwortet werden. Atomare Strahlung macht keinen Halt an nationalen Grenzen, auch wenn dies in der Vergangenheit nicht nur französische Politiker behauptet haben.