Seit einigen Jahren wurden mit der ESOMAR Fusion die vorherigen zwei Konferenzen „Qualitative“ und „Digital“ zusammengelegt.
Die 4 Tage-Konferenz wird jedoch weiterhin inhaltlich aufgeteilt: zunächst in 2 Tage mit dem Schwerpunkt Data, anschließend folgen 2 Tage mit einem Fokus auf Qualitative Research. Überlappungen und hybride Methoden sind jedoch erwünscht. Es ist durchaus interessant zu sehen, wie ein Thema aus beiden „Richtungen“ bearbeitet wird: Natural Language Processing (NLP).
From Social Listening to E-Seeing
Eine der interessantesten Präsentationen war für mich die „Using A.I. to spot client’s irritating experience“, die von Ipsos (Charlotte Zaepfel, Mathilde Guinaudeau) vorgestellt wurde.
Eine Data Scientist und eine Marktforscherin haben in sehr amüsanter Weise ihren Rollen entsprechend (good cop – bad cop à Data Scientist Algorithmen-Fokussiert vs Marktforscherin „So-What?“ getrieben) vorgetragen, wie sie CRM-Daten und Social-Media-Daten über die offenen Nennungen in CRM-Befragungen miteinander verknüpfen. Eine der Grenzen von Social Listening für die Marktforschung ist ja bekanntlich, dass man nicht nachvollziehen kann, wer was in welchem Kontext gesagt hat.
Hier hat Ipsos über Weblistening gesammelte Verbatims mit Verbatims aus den Offenen Fragen in der CRM-Zufriedenheitsbefragung zusammengefügt und über Look-Alike-Modelling auf weitere CRM-Daten extrapoliert.
Unter dem Titel „Using social media to understand the beauty evolution through influencers“ hat L’Oréal (Alberto Rodríguez Romo, Estefanía Yaguez) vorgestellt, wie sie vermehrt mit Bildern statt Texten arbeiten (was nun nicht ganz so neu ist) und dass die Verarbeitung von Bildern natürlich skalierbarer ist, da man Bilder im Gegensatz zu Texten nicht übersetzen muss.
Focus Vision mit dem ehemaligen Chefkoch, nun Data Scientist Mike Kuehne, hat seine neue Video-zu-Text-Transcription-Lösung vorgestellt („Using knowledge models for video highlight extraction“) mit der Qualitative Marktforscher Videos deutlich schneller bearbeiten konnte, und zwar mithilfe von NLP.
NLP
Wie eingangs erwähnt, war Natural Language Processing (NLP) aus meiner Sicht das verbindende Leitmotiv der beiden Sub-Konferenzen. Data Science verarbeitet mithilfe von NLP Unmengen an vorhandenen unstrukturierten Daten, und kombiniert die Tiefe von Qual mit Messungen in Quant.
Qualitative Marktforschung löst das Stichproben- und Fallzahlen-Problem, indem weit größere Datenmengen qualitativ ausgewertet werden.
Sowohl Scoop & Co (Caio Casseb & Fernanda Politanski) aus Brasilien, die in sehr großen Online-Communities qualitativ mit projektiven Fragen forschen, als auch Nina Kanin von Streetbees, die über eine App in Shopper-Studien mit offenen Fragen forschen, haben unterstrichen, wie wichtig es sei, Probanden in ihren eigenen Worten ihr Feedback mitteilen zu lassen.
Mein ganz besonderer Moment: natürlich unsere Präsentation!
Benjamin Simmenauer, unser Chief Consulting Officer, hat zusammen mit Charles Mezerette von leboncoin unsere Studie „Gen Z: some like it old“ vorgestellt. In dieser Studie analysierten wir das Einkaufsverhalten von 16-25-Jährigen in Frankreich, insbesondere ihre Gewohnheiten, Haltungen und Erwartungen in Bezug auf Second-Hand-Produkte. Hierfür kombinierten wir passive Daten, die das Userverhalten darstellen, mit dem quantified-qual Ansatz unserer Onlinecommunity.
Digitale Transformation
Microsoft (Jeff Mercer & Marian Anderson) haben ihre Sicht über die digitale Transformation der Marktforschung vorgestellt. Sie haben in einem 9-Punkte-Plan erläutert, dass diese Transformation nicht nur neue Daten und Werkzeuge erfordert, sondern vor allem die Motivation für Mitarbeiter und die Befähigung dieser, anders zu arbeiten. Ein sehr interessanter Punkt war, dass der Mangel an Umsetzung („adoption“) von Seiten der Mitarbeiter, der häufig in solchen Prozessen zu beobachten ist, kein Zeichen von Mangel an Motivation sei, sondern eher ein Mangel an entsprechender Zielsetzung und Unterstützung.
Networking
Es waren an jedem der Tage ca. 80-90 Personen auf der Konferenz, wobei es teilweise einen Austausch vom Dienstag zum Mittwoch (Data zu Qual) gegeben hat. Auf solchen „kleinen“ Konferenzen ist der Austausch unter Kollegen deutlich einfacher. Zudem hat Esomar für jeden Abend eine kleine Party mit Tapas, Wein, Schinken und Manchego organisiert, bei der man die Gespräche in netter Atmosphäre fortführen konnte.
Orkan Dolay, respondi